Berliner Zeitung Ausgabe Nr.23 vom 28.01.1994 Seite 27 Kultur Bitte keine Bierflaschen Peter Handke praesentierte mit Wim Wenders seinen Film Die Abwesenheit Das Kunstwerk war zu gut fuer diesen Abend in der Akademie der Kuenste. Viel zu gut. Ein starker Wind geht durch diesen Film, ein Schmerz begreift sich selbst. Der oesterreichische Schriftsteller Peter Handke schickt in Die Abwesenheit vier Menschen auf Wanderschaft, getrieben von ihrer Sehnsucht, die Welt gehend zu erfahren, auf der Suche nach Heilung und nach Fuehlung mit Gras, Stille, Weg, Langsamkeit. Ihr Lauschen und Wandeln wird immer wieder ueberfahren von Laerm. Die Baeume rauschen zwar noch wie Zeugen einer Urzeit, doch die Pilger finden keine unbenutzten Landschaften mehr. Insofern ist Handke letztendlich genauso radikal geblieben, wie er es war, als er vor knapp dreissig Jahren mit seiner Publikumsbeschimpfung fuer Furore sorgte. Erst schrie er die Borniertheit an, jetzt schweigt er sie an. Die Abwesenheit - Das intellektuelle Volk kam nur so herbeigestroemt zur Verkuendigung. Der Saal in der Akademie der Kuenste konnte nicht alle fassen, die etwas von Denker-Abglanz und Premieren-Aura erhaschen wollten. Aber der Gastgeber des Abends, Wim Wenders, wollte es wohl anders. Es gab keine Blumen, kein nichts. Wenn schon Premiere, dann waere auch ein wenig Feierlichkeit nicht schlecht gewesen. Aber die ist wohl der Weisheit des Wim Wenders abtraeglich. Wenders, der selbst bereits einige Handke-Buecher zu eigenen Filmen verarbeitet hat, tritt bei der Abwesenheit als Produzent in Erscheinung. Er kuendigte gleich zu Anfang der Veranstaltung den Beginn einer Tradition an: Akademiepremieren wie diese sollen kuenftig regelmaessig stattfinden. Im Anschluss an die Filmvorfuehrung folgte dann das Premierengespraech - ein merkwuerdiges, nichtiges Hin und Her zwischen Wenders und dem scheuen Dichter Handke. Fragen, die keine waren und ansetzten mit Schoen-an-deinem-Film-fand-ich , und empfindliche Reaktionen wie die Auskunft, Handke habe sich verletzt gefuehlt, als er eine Bierflasche waehrend der Vorstellung rollen hoerte. Dabei konnte der Regisseur mit dem freundlichen Berliner Applaus eigentlich zufrieden sein: Bei der Urauffuehrung auf dem Filmfestival von Venedig rief das schwierige Werk vor allem negative Reaktionen hervor. Wenders schien es schliesslich - wo doch der Film die Stille preist - direkt unertraeglich, dass ich mit dem Auto hergekommen bin. Im Grunde, ja im Grunde waere es doch dem Werk gegenueber angemessener, einfach still nach Hause zu gehen. - Richtig. Wenn Die Abwesenheit ab dem 24. Februar ins Kinos kommt, sollte man es versuchen.Birgit Galle Datenbank BZTG Dokumentnummer: 019428057